Der Chef der Stanserhornbahn tritt nach 26 Jahren ab

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Ende November geht Jürg Balsiger in Pension. In seinen 26 Jahren als Direktor der Stanserhornbahn hatte auch die Cabrio-Bahn ihre Jungfernfahrt.

«Guten Morgen, Jürg, schön, dass ich dich wieder einmal sehe.» Jürg Balsiger ist in Stans eine Persönlichkeit. Kaum fünf Minuten sind vergangen, als er auf dem neu gestalteten Platz neben der Talstation der Stanserhornbahn von der ersten Passantin angesprochen wird. Kein Wunder. In den vergangenen 26 Jahren der 130 Jahre alten Stanserhornbahn führte Jürg Balsiger das Zepter. «Man kennt mich in Stans. Hier heimisch zu werden, war mir auch wichtig», erzählt er. So sei es für ihn damals klar gewesen, nach Stans zu ziehen. «Bei einem Zwischenfall oder wenn man mich sonst dringend braucht, muss ich schnell vor Ort sein können. Das geht bei einem langen Arbeitsweg nicht.» Als Touristiker engagierte er sich auch im Verein Stans Tourismus, den er sieben Jahre lang präsidierte. 

Wer mit ihm spricht, merkt schnell, dass er nicht in Nidwalden aufgewachsen ist. Der gebürtige Berner war bis 1997 Verkehrsdirektor in Brienz. «Der Job gefiel mir, doch als die Stelle des Stanserhornbahn-Direktors frei wurde, wollte ich die Chance ergreifen, Bahn und Tourismus zu verbinden, das konnte ich bei meinem früheren Job nicht», erklärt der gelernte Bahnbetriebsdisponent.

Dabei begann seine Stanserhorn-Ära turbulent. «Bei einem der Vorstellungsgespräche war ich ziemlich knapp dran und fing mir eine Geschwindigkeitsbusse ein.» Er trat in grosse Fussstapfen, war doch sein Vorgänger, Robert Ettlin, 31 Jahre lang Bahndirektor.

Wir besteigen die Standseilbahn, die sich an diesem schönen Herbstvormittag rasch füllt, und blättern in alten Zeitungsberichten. «Papst bringt dem Stanserhorn viele Touristen aus Übersee» lautet eine Schlagzeile vom 30. November 2000. «In diesem Heiligen Jahr pilgerten viele Amerikaner an die Passionsspiele im deutschen Oberammergau und besuchten während ihres Europaaufenthaltes auch das Stanserhorn», erinnert er sich an dieses gute Jahr zurück.

Drehrestaurant lockte 30 Prozent mehr Gäste auf den Berg

Der Name Rondorama taucht auf, Jürg Balsigers erstes Grossprojekt. Im Oktober 1999 wird es vorgestellt, im Frühling 2001, pünktlich zu Saisonbeginn, wird das Drehrestaurant eröffnet. Es kostete 2,9 Millionen Franken. Er erinnert sich noch gut an den Auslöser: «Unser wichtigster Gruppenkunde wurde von einer anderen Bergbahn abgeworben. Das war schmerzlich, weil Gruppentouristen damals rund 40 Prozent unseres Umsatzes ausmachten, ganz anders als heute, wo wir vor allem auf Individualgäste setzen.» Ein attraktives sich drehendes Restaurant mit Panoramablick ist die Antwort, um den Aufenthalt auf dem Berg attraktiver zu machen. Die Rechnung geht auf. Die Zahl der Gäste nimmt um 30 Prozent zu.

2005 macht das Stanserhorn mit Faulenzen Schlagzeilen. Man lässt sich sonntags mit dem «Faulenzer-Mobil» von der Bergstation auf den Gipfel fahren, ohne dass man auch nur einen Meter unter die Füsse nehmen muss. «Dank der begrenzten Kapazität unserer Standseilbahn ist das Stanserhorn nie überlaufen. Darum bewarben wir es als gemütlichen Berg, eben als Faulenzerberg», blickt Jürg Balsiger auf diese Marketing-Aktion zurück. Die meisten Aktivitäten waren zeitlich begrenzt, die Liegestühle gibt’s noch heute.

Eine Institution, die kürzlich ihr 15-Jahr-Jubiläum feierte, sind die Stanserhorn-Rangers, Pensionierte, die Touristinnen und Touristen etwa zeigen, wo die Gämsen sitzen und Enziane blühen. «Ein ehemaliger Gästebegleiter erzählte mir von seinem früheren Job als Park-Ranger in Kanada. Ich war sofort Feuer und Flamme, dies auch bei uns anzubieten. Leute, die sich Zeit nehmen für unsere Gäste und Fragen beantworten, passen zu unserer Philosophie.»

Zum Sieg beim Handballmatch gratuliert

Wir sind im Kälti angekommen. «Gut gespielt», ruft Jürg Balsiger beim Umsteigen auf die Cabrio-Bahn einem Mitarbeiter zu. «Er gewann mit dem BSV Stans am vergangenen Sonntag einen Handballmatch, den ich als Zuschauer besuchte», klärt er auf und verrät, dass er früher selber Handball spielte und die Stanserhornbahn Sponsor des BSV Stans ist. Einer anderen Mitarbeiterin fällt auf, dass sie ihn schon lange nicht mehr gesehen hat. «Ich hatte Ferien, meine letzten», witzelt er in Anspielung auf seine baldige Frühpensionierung Ende November. Die Cabrio-Bahn fährt los, gemäss ihrem Noch-Direktor weltweit noch immer die erste und einzige Seilbahn mit offenem Oberdeck und sie beschert der Stanserhornbahn einen Anstieg der Gästezahlen um weitere 50 Prozent, als sie am 29. Juni 2012 ihre Fahrt aufnimmt. Jürg Balsiger bleiben noch zwei weitere wichtige Daten in diesem Zusammenhang in Erinnerung. 

Da ist zum einen der 25. Juni 2004, der als Geburtsstunde der Cabrio-Idee gilt. «Mein befreundeter Seilbahningenieur Reto Canale und ich assen mit unseren Töchtern im Rondorama-Restaurant zu Abend. An diesem Abend malten unsere Töchter. Das animierte Reto Canale und mich, ebenfalls zu malen. Ein erster Entwurf der Cabrio-Bahn entstand auf einem Blatt Papier.»

Am 28. Mai 2009 sagt der Verwaltungsrat einstimmig Ja zum Vorhaben. Auch die Aktionärinnen und Aktionäre stimmen im April 2010 der dafür nötigen Aktienkapitalerhöhung zu.

Überschattet werden die Bauarbeiten von einem Todesfall. Ein Mitarbeiter, der eine Waldstrasse für den Mastenbau von einer Lawine räumen will, gerät in diesem Moment in eine neue Lawine. «Das war tragisch und ist auch heute noch traurig», bedauert Jürg Balsiger.

Passagierrekord trotz verkürzter Saison

Die Bauarbeiten an der Cabrio-Bahn gestalten sich schwieriger als erwartet. So zeigt sich, dass es sich beim Baugrund der Bergstation in grösserer Tiefe nicht um festen Felsen, sondern lockeres und zerklüftetes Gestein handelt. Die Probleme führen zu Verzögerungen und Mehrkosten um gut einen Fünftel auf 29,4 Millionen Franken. Ursprünglich sollte die Bahn im Mai 2012 in Betrieb genommen werden – pünktlich zu Saisonbeginn. Doch obwohl sie mehr als einen Monat später abhebt, transportiert sie in dieser verkürzten Saison 135’000 Gäste aufs Stanserhorn. Das ist bis dahin das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten. Das wertvollste Kapital des Unternehmens sind für ihn aber nicht Infrastrukturen, sondern Menschen. «Dank unseren Mitarbeitenden haben wir den Ruf, einer der freundlichsten Bergbahnen der Schweiz zu sein. Das macht mich stolz.» Wir sind an der Bergstation, mit Blick bis zum Säntis. Das schöne Herbstwetter wirkt sich aus. Das Unternehmen blickt auf den besten September und den zweitbesten Monat in ihrer 130-jährigen Geschichte zurück. Er könne sich gut vorstellen, dass dieses das beste Geschäftsjahr aller Zeiten werde. Eine Entschädigung für die zwei schwierigen Coronajahre mit roten Zahlen, die man aber gut überstanden habe. «Wir konnten unserem Vorsatz treu bleiben, wegen der Pandemie niemanden zu entlassen.»

Viel Verantwortung mit ständiger Erreichbarkeit

Die Talfahrt lässt Zeit für einen Blick in die Zukunft. Warum hört Jürg Balsiger Ende November auf, fünf Jahre vor dem ordentlichen Pensionsalter? «Es war schon sehr viel Verantwortung, mit ständiger Erreichbarkeit. Nun freue ich mich auf eine ruhigere Phase und aufs Runterfahren.»

Auf seinen Nachfolger Peter Bircher, 50, aus Stansstad, der nun mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Stans wohnt, freue er sich. «Mit seiner gewinnbringenden Persönlichkeit ist er der Richtige für unsere Gäste und Mitarbeitenden.»

Die Standseilbahn fährt in der Talstation ein, die in den vergangenen Monaten ein neues Gesicht erhielt. Dass sein letztes Projekt nun umgesetzt ist, macht ihn besonders stolz. «In den vergangenen Jahren investierten wir vor allem für unsere Gäste. Von der neuen Remise mit Büros, Duschen und anständigen Garderoben profitieren unsere Mitarbeitenden.»

Langweilig werde es seinem Nachfolger aber nicht, versichert er. So steht als nächstes Projekt die Erneuerung des Restaurants mit einem bedienten Bereich und der Erweiterung der Terrasse an.

Der Name Jürg Balsiger bleibt untrennbar mit der Stanserhornbahn verbunden. Dafür sorgte der Verwaltungsrat, der den Platz vor dem Stationsgebäude zum Jürg-Balsiger-Platz benannte, wie auf dem Schild unschwer zu erkennen ist. Und beim Schritt in die Pension wird er gar «befördert» – vom Direktor zum Ehrendirektor auf Lebenszeit.

 

Zum Bericht in der Luzernerzeitung

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